Stefan Koslowski

A

    ls der Taxifahrer in Berlin
    hört, dass sein Fahrgast
    einen prominenten Namen

trägt, fragt er diesen gleich, ob er eine Apanage bekommt, also eine Zuwendung, um einen standesgemäßen Lebenswandel führen zu können. Alexander von Bismarck muss lachen, als er diese Anekdote erzählt und fügt hinzu: “Schön wäre es ja!“ Doch weit gefehlt, er hat schon in jungen Jahren wie viele andere Adelige auch, einen bürgerlichen Beruf ergriffen. Die Zeiten, dass Nachfahren mit dem berühmten „goldenen Löffel im Mund“ geboren werden, sind schon lange vorbei. So hat er, der ein Großneffe des Reichskanzlers Otto von Bismarck ist, eine Banklehre bei einer traditionsreichen Privatbank in Hamburg erfolgreich abgeschlossen. Dass er der Jahrgangsbeste in der Hansestadt war, erfüllt ihn durchaus mit Stolz, wie er sagt, denn damals bestanden Studenten mit berühmten Namen häufig nur mit einer 4 und nicht mit einer 1. So machte er sich danach gleich an sein Jurastudium, und wurde erfolgreicher Unternehmer, der mit einem holländischen Partner das größte Unternehmen Europas für Weihnachtsartikel führt. Diese bürgerliche Existenz war die Grundlage, um seine adelige Familientradition überhaupt weiterführen zu können. Denn so ein großer Name ist durchaus eine hohe Verantwortung, erklärt Alexander von Bismarck. 

Dabei betont er, dass es sich bei den Bismarcks um eine normale Familie handelt, deren 340 Familienmitglieder um die ganze Welt verstreut sind, darunter in Südafrika und Brasilien. Er selbst ist mit einer Russin verheiratet seine Mutter war Holländerin, und so ist es kein Wunder, dass bei dem alle zwei Jahre stattfindenden Familientag mehrere Sprachen gesprochen werden.

Die meisten üben ebenso wie Alexander von Bismarck bürgerliche Berufe aus, wobei es selbstverständlich ist, etwas für die Gesellschaft zu leisten. Das war schon das Motto seiner Mutter, die davon überzeugt war, dass man eine Zeit seines Lebens der Gemeinschaft opfern sollte, da sonst kein Staat funktionieren kann. So verwundert es nicht, dass viele Bismarcks Ehrenämter in Gemeindevertretungen, bei der Feuerwehr oder karitativen Verbänden tätig sind.

Wir werfen einen Blick zurück in das Jahr 1990, als Alexander von Bismarck 40 Jahre alt war und ihn sein Vater fragte, ob er sich vorstellen kann, das Schloss Döbbelin in Sachsen-Anhalt zu übernehmen, das nach der Wende der Familie wieder zugeführt wurde. Was wie ein Sechser im Lotto klingt, sah in der 

Realität jedoch anders aus. Der älteste Familiensitz der Bismarcks, der urkundlich erstmals im Jahre 1344 (also fast 150 Jahre vor der Entdeckung Amerikas!) erwähnt wurde, erhielt von seinem fünften Urgroßvater ein Gutshaus mit Nebengebäuden, die im Jahr 1990 eher einer Ruine als einem feudalen Wohnsitz ähnelten. Dennoch kam es für Alexander von Bismarck gar nicht in Frage, die Bitte seines Vaters abzulehnen. Sein Entschluss stand fest und er füllte das Familienmotto „In Generationen denken“ gleich mit Leben. Der tatkräftige Unternehmer übernahm das Gut und organisierte den Wiederaufbau des Familiensitzes. Gern zitiert er einen bekannten Satz des Adels: „Du bist zwar Besitzer, aber hast es nur für eine kurze Zeit“. Das bedeutet, es gehört Dir nicht, sondern Du verwahrst es nur für die nächsten Generationen.

Das ist häufig allerdings leichter gesagt als getan, denn die Sanierung eines solchen Anwesens ist sehr kostspielig. Zuerst kümmerte sich der Großneffe Otto von Bismarcks um die Parkanlage, da ihm klar war, dass die Natur mehr Zeit benötigt, als das Sanieren eines Gebäudes dauert. Das Haupthaus wurde ab 1999 restauriert, was ein sukzessiver Prozess über 2 – 3 Jahre war, denn es konnte nicht alles auf einmal instandgesetzt werden, hilfreich war dabei die gute Zusammenarbeit mit einer Denkmalpflegerin sowie Handwerkern aus der Region. Alles das kostet viel Geld und so waren kreative, unternehmerische Aktionen gefragt, denn aus so einem Besitz kann man kein Geld ziehen, sondern man muss immer wieder investieren, beteuert der Schlossherr. 

So entwickelte Alexander von Bismarck immer wieder neue Ideen, auch als der Tourismusverband Altmark anfragte, ob man nicht kooperieren und den Schlosspark für Besucher öffnen wolle. Als immer mehr Reisebusse mit Besuchern den Weg zum Schloss Döbbelin fanden, wurde in dem Gutshaus ein Café eröffnet, außerdem gibt es einen Weihnachtsmarkt, auf dem die Gäste praktischerweise die Weihnachtsartikel aus dem Firmensortiment des Hausherrn kaufen können, sowie die LebensArt, eine Ausstellung, bei der sich alles um Garten, Wohnen und Lifestyle dreht. Allein bei dieser Veranstaltung strömen jedes Jahr innerhalb von drei Tagen im Mai bis zu 15.000 Besucher auf das Gut, insgesamt liegt die Besucherzahl jährlich bei 65.000, das bringt etwas Geld in die Kassen. „So viele Gäste sind durchaus eine Herausforderung, wenn man im Schloss lebt,“ erklärt Alexander von Bismarck, „aber als Unternehmer sollte einem auch nicht in so einem Fall die Kreativität ausgehen.“

Dieses unternehmerische Denken ist gerade für einen Adeligen wichtig, um für die nächsten Generationen Werte zu erhalten. Aber das ist noch nicht alles, woran gedacht werden muss, denn eine ganz wichtige Frage ist, welches der eigenen Kinder nicht nur in der Lage, sondern auch Willens ist, eine solche Verantwortung später einmal zu übernehmen. Dieser Gedanke steht bei Alexander von Bismarck im Mittelpunkt, denn er möchte für seine Kinder Lösungen finden, mit denen sie sich wohl fühlen und nicht Zwängen ausgesetzt werden. Aber auch hier scheint alles geregelt, denn die beiden ältesten der vier Kinder sind bereits im väterlichen Unternehmen aktiv, und der drittgeborene hat seine Bereitschaft erklärt, eines Tages Schloss Döbbelin zu übernehmen.

So verbinden sich unternehmerische Tugenden mit adeligen Traditionen, und das Beste aus zwei Welten bleibt vereint, ganz ohne, dass es Apanagen bedarf.

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