Harald Patt

S

    ie heißen Google, Apple,
    Facebook und Amazon
    (GAFAs) oder Baidu,

Alibaba und Tencent (BATs). Die BigTechs aus dem kalifornischen Silicon Valley oder dem Reich der Mitte zeigen Europa auf, wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz unsere Wirtschaft und Gesellschaft in ein neues Zeitalter katapultieren. Aber was bedeutet diese Entwicklung für den europäischen Kontinent und was ist jetzt zu tun? François Baumgartner sprach mit Harald Patt, FinTech Experte und Private Equity Advisor. Der Experte verfügt über eine fundierte und jahrelange Erfahrung als Managing Director bei Fosun, CEO beim Fosun Europe Innovation Hub, Generalbevollmächtigter bei der FinTech Group Bank AG und Geschäftsführer der AKTIONÄRSBANK Kulmbach GmbH. Zuvor war er erfolgreicher Gründer und Vorstand der Panthera Capital AG sowie der CeFDex AG – Wertpapierhandelsbank. Darüber hinaus hat er mehrere Aufsichts- und Beiratsmandate inne, wie u.a. bei der The Naga Group AG, CRYCO AG, Optiopay GmbH und der Digital Devotion Group AG.

Herr Patt, was machen US-amerikanische oder asiatische Digitalunternehmen besser und warum sind diese erfolgreicher als andere Unternehmen in Europa?

Das muss man sehr differenziert betrachten. Aufgrund der Datenschutzgrundverordnung in Europa (EU-DSGVO) hat es die datenorientierte Plattformökonomie hierzulande etwas schwerer als in den USA und China. Die Daten können dort durch die GAFAs oder die BATs schneller verwendet und kommerzialisiert werden. Nehmen wir ferner an, es gibt zwei Unternehmen mit demselben Geschäftsmodell im Silicon Valley und in Deutschland. Dann steht sicher fest: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen im Silicon Valley schneller wächst, ist höher, weil dort sowohl mehrere als auch höhere Finanzierungsrunden möglich sind. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir in Europa stets am perfekten Produkt arbeiten, bevor wir den Roll-out wagen. In den USA und China hingegen heißt die Devise ein minimal überlebensfähiges Produkt (Minimal Viable Product) so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen. Es gibt aber auch positive Beispiele in Europa.

Welche wären das?

Eine deutsche Erfolgsstory ist zum Beispiel N26. Der Neobank gelang das Wachstum u.a. durch US-amerikanische Investoren. Tesla in Brandenburg ist hingegen ein gutes Beispiel für ein schnelles Genehmigungsverfahren. Und gemäß der jüngsten Studie des European Center for Digital Competitiveness (ESCP) zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit, konnte sich Frankreich in den drei Jahren von 2017 bis 2019 um 95 Ränge verbessern und sich als führender digitaler Aufsteiger innerhalb der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) etablieren. Die für diesen Erfolg eingesetzten Maßnahmen der französischen Regierung, wie etwa die Schaffung geeigneter Behörden und die dazugehörige Entbürokratisierung, sind allerdings in den USA und im Reich der Mitte schon lange umgesetzt. Deutschland ist übrigens zusammen mit Italien in gleicher Zeit am weitesten zurückgefallen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Mobilität und Nachhaltigkeit sowie Gesundheit heute und in Zukunft?

Die Digitalisierung zieht sich quer durch alle Branchen und Wirtschaftssektoren. Darüber hinaus ist die Erfolgswahrscheinlichkeit digitaler Technologien in den Wachstumsfeldern Mobilität, Nachhaltigkeit und Gesundheit besonders hoch. Als Board Member muss man sich immer fragen: Wie wird meine Branche in 50 Jahren aufgestellt sein und wie werden die Menschen dann leben? Fest steht: Bei datenbasierten und automatisierten Geschäftsmodellen hat der Mensch beim Ablauf des Prozesses kaum Interaktion mit der Problemlösung selbst. Es geht bei einer Dienstleistung also um Komfort, Agilität und Einfachheit. Gerade Mobile Apps mit Geotargeting können das durchaus leisten. Ein gutes Beispiel hierfür wäre der Kauf einer Fahrkarte im Hinblick auf die Dokumentation und Abrechnung sowie die Auswahl des günstigsten Tarifs.

Was zeichnet smarte Produkte aus und warum gehört diesen die Zukunft?

Smarte Produkte sind intelligente Produkte. Sie können sich an ihre Umwelt und ihre Nutzer ideal anpassen. Unser Leben wird sich mit physischen Produkten verbinden, um gerade die von uns geforderte Individualität zu bewerkstelligen. Ein Laufschuh wird sich mit der Smartwatch verbinden, um vielleicht auf Risiken beim Laufen hinzuweisen. Und in der Industrie ist Prädiktive Instandhaltung (Predictive Maintenance) von Maschinen stark im Kommen.

Was ist Digital Engineering (DE) und wo liegen die Vorteile und Chancen?
Eine datenorientierte Unternehmung aufzubauen, bedeutet zunächst Datenkompetenz aufzubauen, bestehende Unternehmenskulturen infrage zu stellen, Technologien als Chance für Wachstum zu begreifen, und zu wissen, was es bedeutet, datengesteuert zu sein. Man sollte ferner Daten nicht nur als einen separaten Teil des Geschäfts betrachten. Daten sollten zudem auffindbar, zugänglich, kompatibel und wiederverwendbar sein. Das alles muss durch neueste IT- und Kommunikationstechnologien flankiert werden.

Warum brauchen wir mehr digitale Plattformen in Europa?

Der Plattformgedanke verbindet Dienstleister und deren Angebote und erweitert das Produktportfolio im Sinne der Konsumenten. Für Kunden spielt der Komfort eine wichtige Rolle – alles ist über einen Account abrufbar. Welche Dienstleister dahinterstehen, ist dem Kunden egal. Er präferiert eine Plattform mit vielen Lösungen, anstatt viele Plattformen mit jeweils wenigen Lösungen.

Robot Process Automation, Machine Learning und Künstliche Intelligenz befinden sich auf dem Vormarsch. Algorithmen, Data Science und Data Mining liefern die Grundlage. Wie werden diese Disziplinen Unternehmensorganisationen und Produkte verändern?

Im Rahmen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation werden alle Geschäftsprozesse zunehmend digitaler. Durch Digital Engineering, genauer gesagt, der Nutzung moderner digitaler Technologien im Zuge von Industrie 4.0 rund um vernetzte Geschäftsabläufe, werden die Wertschöpfungsketten komplett optimiert. Und zwar von der Entwicklung, über die Produktion bis hin zu den Beziehungen mit Kunden, Lieferanten und den Mitarbeitern. „Smart Factories“ sind infolgedessen ein zentraler Bestandteil eines modernen und agilen Managements von Produktlebenszyklen.

Der digitale Wandel braucht eine gute Infrastruktur. Hier sehen Unternehmen das größte Hemmnis. Was muss getan werden?

Der 5G- und Breitbandausbau muss massiv vorangetrieben werden. Wir brauchen nicht nur digitale Konsumenten, sondern vor allem digitale Produzenten. Wir haben hierzulande noch nicht einmal 4G flächendeckend komplett ausgebaut, während allein Shenzhen die erste 5G-Stadt der Welt ist. Oder nehmen wir die Künstliche Intelligenz, hier hat China bereits 2017 entschieden, bis 2030 Weltmarktführer in diesem Bereich werden zu wollen und investiert dafür 150 Milliarden Euro, während im Vergleich dazu die Europäische Kommission gerade einmal 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellt.

Herr Patt, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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