Gunnar Schupelius

W

    enn wir von der deutsch-amerikanischen Freundschaft sprechen,
    dann meinen wir eine engere Verbindung als ein Bündnis zweier Staaten.
    Wir meinen damit eine

große Nähe der Ideen, der Wertvorstellungen und der Kultur, die die Menschen beider Länder zusammenhält. Kann man sagen, wann diese Freundschaft begann? Ja, auf den Tag genau. Es war der 24. Juni 1948. Der Westteil Berlins wurde von der Roten Armee belagert. Stalin wollte den Weg Deutschlands zur Demokratie abschneiden. Die USA und England schafften es tatsächlich fast elf Monate lang, die Berliner aus der Luft mit Nahrungsmitteln, Öl, Kohle und Industriegütern zu versorgen, bis Moskau am 12. Mai 1949 aufgab.

Diese Luftbrücke wurde von den Deutschen als Zeichen echter Aufopferung verstanden und füllte die Herzen mit Dankbarkeit. Ich wuchs in den 1960er Jahren im freien Westen Berlins auf und habe diese Dankbarkeit empfunden, seitdem ich denken kann. Ich ging in der Nähe des amerikanischen Hauptquartiers zur Schule. Wenn die Panzer mit dem weißen Stern auftauchten, dann winkten wir und die GIs winkten zurück. Wir wohnten in der Einflugschneise von Tempelhof, dem einzigen Flughafen in der eingemauerten Stadt. Wenn eine Boing der Pan Am im Tiefflug über unserem Dach erschien, dann klirrten die Fenster und es war wirklich laut. Aber mein Vater lächelte nur und sagte: „Solange die fliegen, sind wir frei.“ Ende der 60er Jahre änderte sich die Stimmung, nicht bei den älteren, aber in der jungen Generation. Die Studentenbewegung forderte mehr Freiheit, aber sie war durchsetzt mit gut organisierten kommunistischen Gruppen, die den Ton angaben. Sie machten den Kampf gegen den „US-Imperialismus“ und „den US-Kapitalismus“ zum großen Ziel der Bewegung. Sie verehrten Mao Tse-Tung, viele von ihnen sogar Lenin und sie riefen „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“, um sich auf die Seite der kommunistischen Revolutionäre in Vietnam zu schlagen. Dass die Sowjetunion ganz Osteuropa unterdrückte und 1968 in Prag einmarschierte, interessierte sie nicht, genauso wenig wie später der Freiheitskampf der Solidarnosc in Polen.

Es ist wichtig zu verstehen, wie stark die verschiedenen marxistischen Strömungen wirkten, von denen eine ganze Generation erfasst war. Diese Generation von 1968 ging dann 50 Jahre lang regelmäßig nur deshalb auf die Straße, um gegen die US-Außenpolitik zu demonstrieren. Die jungen Menschen, die in Frieden und Wohlstand unter dem Schutz der amerikanischen Verteidigung aufgewachsen waren, skandierten „Ami-Schweine“, „Ami go home“ und „USA-SA-SS“ und brachten damit das amerikanische Militär bewusst in die Nähe von Hitlers Völkermord-Geschwader. Viele Wissenschaftler haben dieses Phänomen untersucht und die Frage gestellt, ob die antiamerikanischen Demonstranten unterbewusst versuchten, die Schuld der eigenen Väter zu relativieren. Die elitären Vertreter dieser Generation machten sich auf den Weg, um als Lehrer, Professoren, Journalisten, Beamte, Schauspieler und Politiker die Bundesrepublik antiwestlich zu verändern. Sie gründeten die neue Partei „Die Grünen“, die von Anfang an eher rot als grün war, einige wanderten sogar in Terror-Gruppen ab, wie die „Rote Armee Fraktion“. Andere engagierten sich in der Friedensbewegung der 1980er Jahre, die wiederum nur gegen amerikanische Raketen aufbegehrte, nicht aber gegen sowjetische. Dort engagierte sich als jungsozialistischer Funktionär der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz, der besonders enge und freundschaftliche Kontakte zur Führung der DDR-Staatspartei SED unterhielt. In der Folge wurden amerikanische Politiker systematisch kriminalisiert, zum Beispiel der 40. US-Präsident Ronald Reagan und sein Außenminister Alexander Haig. Sie konnten Berlin kaum noch besuchen, weil Demonstranten die Stadt in einen einzigen Ort der Straßenschlachten verwandelten. Sogar der meisterhafte und erfolgreiche Einsatz der Bush-Administration für die deutsche Einheit 1990 wurde von der Generation 1968 ignoriert, die nun zunehmend die Meinungsführerschaft in Deutschland übernahm. „Kein Blut für Öl“ war dann die Parole im ersten Irak-Krieg, obwohl Deutschland sehr stark vom Öl abhängig war. Der Terror-Angriff auf das World-Trade-Center am 11. 9. 2001 sorgte noch einmal für Verbundenheit. Aber diese Solidarität erlosch schnell und Präsident Bush junior diente, wie schon seine republikanischen Vorgänger, als ideales Feindbild, erst recht, als er den zweiten Irak-Krieg begann. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands kam durch die DDR ein ganzes Land dazu, dessen Einwohner mehr als 40 Jahre lang antiamerikanisch indoktriniert worden waren. Sie hatten gelernt, dass im Weißen Haus der „Klassenfeind“ zu Hause sei, der die Welt beherrschen und ausbeuten wolle. Ihr Weltbild ergänzte sich mit der sozialistischen Ideologie, die aus den 1968er Jahren kam und den Westen Deutschlands immer weiter erfasste.

Donald Trump, der in Deutschland noch viel wütender bekämpft wurde als ehemals Nixon und Reagan, war dann 2017 nur noch die willkommene Projektionsfläche, um die eigenen Vorurteile abermals und endgültig zu bestätigen. Die Stimmung war jetzt regelrecht feindlich aufgeladen. Und als im Jahr 2019 zum Jubiläum der Luftbrücke ein paar von den berühmten Rosinenbombern, die es noch gab, auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof landen wollten, wurde das von der Regierung der Hauptstadt verweigert: Es gebe „Probleme bei der Genehmigung.“

Abgelehnt wurde auch eine Bronze-Figur von Ronald Reagan, die der amerikanische Botschafter den Berlinern geschenkt hatte, um sie am Brandenburger Tor aufzustellen. Hier hatte Reagan 1987 die prophetische Rede in Richtung Moskau gehalten: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall…“ Die Bronze-Figur steht jetzt stattdessen ein paar 100 Meter weiter auf der Dachterrasse der amerikanischen Botschaft. Die Berliner Regierung will sie nicht haben, die aus Sozialdemokraten, Grünen und den Nachfolgern der DDR-SED zusammengesetzt ist. Reagan sei als Ehrenbürger der Stadt bereits ausreichend geehrt worden, hieß es unfreundlich zur Begründung. In Budapest steht so ein Bronze-Reagan und in London am Grosvenor Square (Mayfair). In Berlin ist er nicht willkommen. Soweit hat sich die deutsche Politik von Amerika entfernt und auch Amerika hatte sich schon anders orientiert, mit Obama, Trump und Biden in Richtung Asien. Da kam Ende Februar 2022 wie aus heiterem Himmel der neue Krieg in Europa. Russland überfiel die Ukraine. Plötzlich schauten wir wieder auf die NATO und vor allem nach Washington. Die Not treibt uns zurück zum großen Freund. Aber es ist eher die Angst, die uns jetzt treibt, als das tiefe Gefühl der Verbundenheit, das 1948 entstand und das heute so nicht mehr besteht.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis habe ich immer als eng, aber schwierig empfunden, wie zwischen einem Vater und seinem Sohn. Der Sohn ahmt den Vater nach, begehrt aber auf und wendet sich gegen ihn. Der Vater nimmt es irritiert zur Kenntnis. Auch die große Abneigung seit 1968 war wahrscheinlich das Resultat einer großen und ungewöhnlichen Bindung. Einer der früheren US-Botschafter in Berlin widersprach meiner Vater-Sohn-Theorie: „Nein, es ist eher wie das Verhältnis zwischen dem Therapeuten und seinem Patienten.“ Ich musste lachen. So kann man es vielleicht auch sehen.

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