sondern sie ist Expertin. Die Kunsthistorikerin Dr. Ingeborg Becker, ehemalige Direktorin des renommierten Bröhan-Museums in Berlin, kommt ins Schwärmen, wenn sie vom „weißen Gold“ berichtet. Eine ganz besondere Beziehung hat sie zur Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM), der Traditionsmarke, die 1763 von Friedrich dem Großen gegründet wurde, und eine der ganz wenigen großen Porzellanmanufakturen ist, die heute noch besteht.
Ein Grund dafür ist, dass KPM immer den Brückenschlag zwischen Historie und Moderne gelungen ist und in vielen Stilepochen erfolgreich war. Von Rokoko über Klassizismus, von Jugendstil zu Bauhaus bis in die Gegenwart, war es immer etwas Besonderes, ein Service, eine Vase oder Einzelfigur dieses Traditionsunternehmens zu besitzen.
Besonders zu Zeiten Friedrich des Großen war Porzellan ein Luxusgut, das nur wenigen Menschen vorbehalten war. Friedrich war so begeistert davon, dass er sich als seinen besten Kunden bezeichnete. Dass er auch sehr großzügig sein konnte, zeigt die Beziehung zwischen ihm und Katharina der Großen. Die beiden kannten sich seit Katharinas ersten Reise von Anhalt-Zerbst nach Russland. Als sie später eine Allianz schlossen, um in Europa ihren Anspruch zu festigen, hatte ihr Friedrich einen Tafelaufsatz geschickt – prunkvoller Schmuck einer höfischen Tafel mit zahlreichen Figuren. In der Mitte war die thronende Zarin zu sehen, um sie herum verschiedene Figuren, die einen Bezug zu ihr, aber auch zu Geschichte, Krieg und Frieden hatten; so wurde Katharina mit ihren Tugenden und Eigenschaften widergespiegelt. Allein die Produktion dieses Tafelaufsatzes dauerte über zwei Jahre, und dieses große Kunstwerk mit über 200 verschiedenen Figuren nach Russland zu verschicken, war eine große logistische Leistung.
Seit der Gründung von KPM ist viel passiert. War das Unternehmen früher staatlich, so hat es der Bankier, Unternehmer und Porzellanliebhaber Jörg Woltmann 2006 privat übernommen und dadurch die Traditionsmarke vor der Insolvenz gerettet. Unabhängig von den Herausforderungen der einzelnen Epochen, hat die Manufaktur seit jeher ein besonderes Alleinstellungsmerkmal, da immer eine klare und moderne Formgebung vorhanden ist. Die lässt sich auch auf die heutige Zeit übertragen, denn das Design ist stets von klassischer Eleganz und zeitlos schön.
Doch gut Ding will Weile haben, und so dauert es eine lange Zeit, um eine Kollektion zu entwickeln. Die neue Kollektion „Berlin“ von Enzo Mari, dem berühmten Designer und Objektkünstler, hat von den ersten Entwürfen bis zur Fertigung drei Jahre gedauert. Es musste viel ausprobiert werden, bis die Entwürfe in der Produktion umgesetzt werden können. Das alles ist sehr aufwendig und macht viel Arbeit, bis ein perfektes Ergebnis entsteht. Dabei ist die Arbeit in einer Manufaktur sehr anspruchsvoll, denn Präzision und Erfahrung sind gefragt. Die Tätigkeit ist naturgemäß sehr handwerklich, man macht sich schmutzig, und es ist auch schwierig, mit den Öfen zu hantieren. Was die wenigsten Menschen wissen: Eine Ausbildung als Porzellanmaler dauert bis zu sieben Jahren.
Aber was ist das Erfolgsrezept für eine Marke, die es seit über 250 Jahren gibt? Dr. Ingeborg Becker ist sich sicher, dass es auch an dem Entstehungsort der KPM in Berlin bzw. Preußen liegt; das hatte immer einen etwas strengeren, nüchternen Charakter, als beispielsweise das höfische Dresden – Berlin war da immer schneller und moderner, erklärt die Kunsthistorikerin.
Früher war Porzellan war immer Luxus für wenige, heute wird versucht, eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne zu schaffen, um mehr Menschen zu begeistern. Dabei gibt es den typischen Porzellankunden gar nicht, denn es hat nicht mehr den Stellenwert bei jüngeren Menschen, die ihr Geschirr lieber bei einem schwedischen Möbelhersteller kaufen.
Dennoch wird Porzellan eine Zukunft haben, weil es immer Menschen geben wird, die es schätzen werden; wer eine gepflegte Gastlichkeit mag, kommt nicht darum herum. Porzellan wird seine Faszination niemals verlieren, denn es ist auch mit unserer Kultur verbunden, und KPM hat immer den Anschluss an die Moderne gefunden und viel für die Bereicherung der Alltagskultur geleistet, da es aus Tradition modern ist.