Meter um Meter, den der Pulk vor dem Zieleinlauf zurücklegt, größer. Man erkennt nur an den farbigen Jockeytrikots, welches Pferd gerade vorne liegt, so häufig gibt es einen Führungswechsel und so dicht gedrängt geht es auf die Ziellinie zu. Die Zuschauer toben mittlerweile vor Begeisterung, aber die ersten drei Pferde liegen nach 2.400 Metern im Finish so knapp beieinander, dass das Zielfoto entscheiden muss. Nach unendlich langen Minuten verkündet der Stadionsprecher das Ergebnis des 153. Deutschen Derbys in Hamburg: Der Gewinner ist… Sammarco vom Gestüt Park Wiedingen.
Helmut von Finck, dem Besitzer des Siegergestüts sind auch Wochen nach dem Sieg die Emotionen anzumerken. Erst in der Zeit danach hat er begriffen, warum ihm dieser Lebenstraum so wichtig war: Vorher wusste er gar nicht, warum er diesen Traum hatte und was dieser überhaupt bedeutet. Doch erst nach dem Derby wusste er um die Bedeutung dieses Sieges, stellt er fest.
Bis zu dem Sieg bei Deutschlands bedeutendsten Pferderennen war es jedoch ein langer Weg. Angefangen hat alles im jugendlichen Alter von 14 Jahren als er von seinem älteren Bruder mit auf die Rennbahnen nach München-Riem oder Daglfing mitgenommen wurde und seine Begeisterung für die Pferde und Rennatmosphäre entfacht wurde. Damals steckte er 2,50 DM in Wettautomaten und dachte, er hätte Ahnung von Pferden.
Später war Helmut von Finck mit seinem Bruder und seiner Mutter bei dem berühmten Pferderennen in Baden-Baden. Dort lag im Hotel eine Zeitung aus, in dem ein Pferd so toll beschrieben wurde, dass er auf dieses wetten wollte, auch wenn es kein Favorit war. Am Renntag war Helmut von Finck noch einmal bei „seinem“ Pferd, das ihn so anschaute, als wolle es ihm sagen „Mache Dir keine Sorgen, ich werde das Rennen schon gewinnen“. Mit dieser spirituellen Intuition setzte er auf das Pferd, das in einem Kopf-an-Kopf-Rennen den Favoriten schlug. Helmut von Finck gewann eine ordentliche Summe und danach es war um ihn komplett geschehen. Von dem Gewinn kaufte er sich gleich ein Pferd – und so wurde aus dem Hobby allmählich ein Business.
Er war dabei jedoch nicht geldbesessen, sondern hat schon immer mehr an den Sinn des Lebens gedacht, ideelle Dinge sind ihm wichtiger. Dennoch kaufte er weitere Pferde auf Auktionen, die teilweise gut gelaufen sind, später ergänzte er seine Berufung als Pferdezüchter.
Dass für Helmut von Finck alle seine Pferde im Mittelpunkt stehen, spürt man sofort. Dennoch gibt es zwei Ausnahmepferde, die er immer wieder erwähnt. Eins davon ist Soldier Hollow, den er im Jahr 2000 gekauft hat, zu der Zeit als er das Gestüt Park Wiedingen erworben hat.
Super Hollow war lange Zeit ein Superrennpferd und hat viele Preise gewonnen, unter anderem den Dallmeyer-Preis in München, den Prix Roma, ein Rennen bei dem weltberühmten Arc-de-Triomphe-Wochenende in Paris und wurde schließlich zum Galopper des Jahres gekürt. Nach seiner Rennkarriere wurde er Deckhengst und hat weltweit viele erfolgreiche Nachfahren. Ein Mitglied aus Soldier Hollows großer Familie ist Sammarco, der dreijährige Gewinner des Deutschen Derbys und aktuell der Star im Gestüt Park Wiedingen, das südlich von Hamburg idyllisch in der Lüneburger Heide gelegen ist. Hier stehen 30 Pferde, die Rennpferde sind jeweils bei den Trainern.
Pferdezucht klingt immer sehr romantisch, ist aber viel Arbeit, bemerkt Helmut von Finck. Auch ein Gestüt ist ein Unternehmen, in dem es um Organisation, Finanzen und Management geht. Vor allem aber hat man es rund um die Uhr mit Lebewesen zu tun, die kein Computer sind, den man abends herunterfährt – die Pferde sind die Protagonisten. Es gibt im Jahr drei Monate mit schlaflosen Nächten, denn wenn die Fohlen kommen, wird alles zum Wohl der Tiere getan. Die Menschen auf dem Gestüt sind nur die Helfer, um es den Pferden recht zu machen. Hier werden persönliche Bindungen zwischen Mensch und Tier aufgebaut, die es in großen Zuchten so nicht geben kann.
Helmut von Finck verbindet mit seinem Gestüt das Beste aus zwei Welten. Einerseits der Umgang mit Lebewesen, die ihm und seiner Frau Kerstin ans Herz gewachsen und wie Familienmitglieder sind. Andererseits kann man nicht nur viel Freude haben, sondern auch gutes Geld verdienen, denn die Pferde sind lebendiges Kapital. Und das ist viel schöner als eine Anlage aus Papier, Metall oder Virtuellem, findet der Pferde-freund.
Dabei gibt es auch für Neueinsteiger dieser Form von Kapitalanlage hochinteressante Möglichkeiten, sich an einem Pferd zu beteiligen, das möglicherweise erfolgreich werden kann. Dazu zählen sogenannte Syndikate, also Besitzergemeinschaften, die Anteile an einem Pferd halten; eine Form, die besonders in Australien, USA und England sehr populär ist.
Auch Helmut von Finck hat diverse Partnerschaften, die sowohl mit Rennpferden funktionieren als auch mit Zuchtpferden. Das hat durchaus Vorteile, denn manchmal ist es schöner, ein Pferd mit Partnern zu teilen. 25 Prozent Einsatz sind eben nicht 100 Prozent Kosten, und wenn sich die Stute gut entwickelt, hat man ein tolles Pferd.
Bei seinen Syndikaten bevorzugt Helmut von Finck 3-4 Partner, denn das ist eine gesunde und überschaubare Mischung aus nicht allzu vielen Teilhabern. Viele Interessenten kennen sich anfangs nicht so gut aus und können oder wollen die komplette Verantwortung für ein Pferd nicht übernehmen. Wenn aber Vertrauen zu einem Profi und Experten besteht, können alle profitieren und Spaß haben, was eine ganz großartige Erfahrung ist. Auch Neulinge können so an gute Pferde kommen, denn hat man als Beginner bei einer Auktion gleich am Anfang auf das falsche Pferd gesetzt, ist das ganze Geld weg. Somit ist ein Syndikat auch eine hervorragende Risikominimierung.
Ach ja: Ursprünglich sollte der aktuelle Star im Gestüt Park Wiedingen übrigens San Marco heißen, benannt nach dem Wassertaxi-Anleger in Venedig. Durch einen Übermittlungs-fehler wurde daraus jedoch Sammarco – immerhin ist das auch der Name eines hervorragenden toskanischen Weinguts. Und Grund zum Anstoßen hatte Helmut von Finck bereits kurz nach dem großen Sieg in Hamburg wieder: Sammarco hat vier Wochen nach seinem Triumph im Deutschen Derby auch den Großen Dallmayr-Preis auf der Galopprennbahn in München gewonnen. Und wieder einmal hat Helmut von Finck auf das richtige Pferd gesetzt.