Stefan Koslowski

K

    unst kommt von Können –
    wer kennt nicht diesen
    berühmten Satz? Wenn es

einen lebendigen Beweis für diese These gibt, dann sitzt er gerade vor mir: Ich bin mit Michele Tiziano bei seinem Stamm-Italiener in Berlin verabredet. Eine passende Location, denn Italien spielt eine durchaus wichtige Rolle in dieser einzigartigen Vita.

Eins fällt sofort auf: Dieser Mann sprüht vor Energie und so wundert es nicht, dass er gleich mehrere außergewöhnliche Karrieren auf internationalen Bühnen zustande gebracht hat: Als Balletttänzer, später als Konzertveranstalter sowie als Manager des weltberühmten Rudolf Nurejew, danach als Opernstar, der in den großen Häusern dieser Welt gesungen hat. Ach ja, Kunstsammler ist er auch noch – aber der Reihe nach:

Schon als Junge stand für Michele Tiziano fest, dass er unbedingt auf die „Bretter, die die Welt bedeuten“ möchte. Seine Ballettausbildung absolvierte er in Köln an der Hochschule für Musik und Tanz sowie an der renommierten Münchner Hochschule für Musik und Theater. Außerdem bildeten auch St. Petersburg und Paris wichtige Stationen seiner Ausbildung.

Als junges Talent startete er bereits mit 18 Jahren seine internationale Karriere als erster Solist bei das Het Nationale Ballet in Amsterdam. Schnell machte er sich einen Namen und so verwundert es nicht, dass er schon vier Jahre später als Startänzer an der Deutschen Oper in Berlin engagiert wurde, wo er sich auch als Choreograph einen Namen machte und vor allem durch bahnbrechende innovative Tanzdarbietungen begeisterte.

Doch Michele Tiziano entwickelt nicht nur künstlerisches Talent, sondern starte auch als Unternehmer schnell eine erfolgreiche Karriere. So gründete er 1980 das Internationale Ballett Centrum Berlin (IBC) und widmete sich der Organisation großer Ballett- und Opernveranstaltungen. Führende Politiker wie beispielsweise der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker übernahmen Schirmherrschaften für seine Veranstaltungen. Unter seiner Leitung wurde das IBC schnell zu einem der wichtigsten Veranstalter von Tanztouren und Veranstaltungen mit einigen der bekanntesten Ballettkompanien aus der ganzen Welt – ein wahres Who is Who des internationalen Balletts – darunter das Ballett Opéra National de Paris, das Kirow-Ballett, das Bolschoi-Ballett und die nationalen Ballettkompanien von St. Petersburg und Moskau. Namen und Orte, die das Herz eines jeden Ballettfreundes höherschlagen lassen. 

Gleichzeitig wurde Michele Tiziano der Manager von mehreren hochkarätigen Balletttänzern, vor allem des legendären 

Rudolf Nurejew, einem der charismatischsten Tänzer in der Geschichte des Balletts, der allerdings einen ausgeprägten Hang zu Skandalen hatte. „Jeden Tag gab es einen neue Titelstory in den Zeitungen“ ergänzt Tiziano und nimmt lächelnd einen Schluck von seinem Espresso. Über elf Jahre lang standen sich die beiden als Freunde und kreativen Partner nahe, bevor der Ausnahmetänzer verstarb.

Doch nicht nur das Ballett begeisterte Michele Tiziano, sondern auch die Opernwelt, womit wir wieder bei Italien wären. 1990 gründete Michele Tiziano das Concert Forum Berlin und organisierte eigene Musikproduktionen, Operngastspiele und Konzertabende. Zahlreiche Weltstars traten auf: von Adriana Maliponte über Anna Moffo bis zu Piero Cappuccilli, René Kollo und nicht zuletzt der Jahrhunderttenor Giuseppe Di Stefano. Auch für ihn fungierte Michele Tiziano als Manager, bis er 1993 vom Meister persönlich seine Gesangsausbildung erhielt. Fasziniert von der schönen Stimme seines Managers, überzeugte er Tiziano, seine Stimme zu trainieren mit dem Ziel, professioneller Sänger zu werden. Di Stefano erkannte in ihm das Potential, als „Belcanto“-Sänger ausgebildet zu werden, also ein idealer Tenor für die italienische Oper. Er sollte recht behalten, denn bald wurde Michele Tiziano als „Stimme des Jahrhunderts“ bezeichnet.

Schon im selben Jahr gab Tiziano sein Debüt als Sänger in der Rolle des „Cavaradossi“ in der Oper „Tosca“ auf einer Europatournee an der Seite von Anna Maria Pizzoli, Paola Romanò und Adriana Maliponte, allesamt Stars der welt- berühmten Scala in Mailand. Seinen internationalen Durchbruch errang Michele Tiziano in der Rolle des Prinzen Calaf in der Puccini-Oper Turandot bei der Wiedereröffnung der Arena von Pompeji, wobei ihn die italienische Presse als besten Interpreten dieser Rolle feierte.

Danach konzentrierte sich Michele Tiziano zunehmend auf Klassikkonzerte. So produzierte er mit sehr großem Erfolg die „Verdi-Puccini-Rossini-Gala“, die er europaweit auf Tournee brachte und die er mehrere Jahre als „Da Capo“-Tourneen veranstaltet, an der internationale Opernstars mitwirkten und renommierte Orchester und Dirigenten verpflichtet konnten.

Es folgte das „Festival der Tenöre“, das frenetisch vom Publikum gefeiert wurde, und mit seinen Broadway-Produktion „Night on Broadway“ konnte Tiziano namhafte Künstler aus New York verpflichten. Durch dieses Engagement entstand auch seine Liebe zur modernen Musik, mit der er in Kürze seine Fangemeinde überraschen wird, verrät Michele Tiziano.

Bei so viel Hingabe für die schönen Künste überrascht es nicht, dass es für Michele Tiziano neben Ballett und Oper noch eine dritte Leidenschaft gibt, für die er sich begeistert: die Malerei. Heute besitzt er eine bedeutende Sammlung moderner und antiker Meister, die jedem Museum zur Ehre gereichen würden, die meisten davon hat er in den letzten 40 Jahren bei seinen zahlreichen Reisen erworben. Wie seine Liebe zum Singen begann Tizianos Begeisterung zur Kunst in seiner frühen Kindheit, als er stundenlang Gemälde alter Meister wie Raffael und El Greco in den Kunstbüchern seiner Eltern bewunderte. Der Ursprung seiner Kunstsammlung war eine Erbschaft seines Großvaters mit Gemälden deutscher und französischer Impressionisten. Im Lauf der Jahrzehnte erweiterte Michele Tiziano diese Sammlung um Alte Meister ebenso wie Künstler der Moderne. So findet sich heute eine bemerkenswerte Bandbreite von Rembrandt bis zu Jackson Pollock, die diese Sammlung so einzigartig macht. Ein besonderes Exponat stammt von Rudolf Nurejew, der ihm sein Portrait bereits zu Lebzeiten geschenkt hat – es stammt von keinem Geringeren als von Pablo Picasso.

Zum Dessert verrät Michele Tiziano noch etwas Besonderes: Er schreibt gerade ein Buch über sein bewegtes Leben, das im nächsten Jahr veröffentlich werden soll. Wenn auch dieses eine Erfolgsstory im Leben dieses Ausnahmekünstlers wird, so wäre das durchaus keine Überraschung, denn: Kunst kommt von können.

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