Jürgen Wilke / Prof. Dr. Dr. hc. Lothar Abicht

D

    ie Reaktionen reichen von
    der euphorischen Bewertung
    des grünen Wasserstoffs als

zentraler Lösungsansatz in der Klimakrise bis hin zu emotional aufgeheizten Detaildiskussionen zu Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff als Treibstoff für unterschiedlichste Verkehrsmittel vom PKW über LKW bis zu Schiffen, Eisenbahnen und Flugzeugen. Die unterschiedlichen Blickwinkel vom alles umfassenden Energieträger bis hin zur Frage, ob das eigene Auto demnächst einen Wasserstoffantrieb haben soll, wirken sich auch auf die Bewertungen der Aktien von Firmen mit Wasserstofftechnologien aus. Firmen wie Nel ASA, Ballard Power, Plug Power & Co sind gewissermaßen in aller Munde. Die Positionen zu ihnen reichen ebenfalls von strikter Ablehnung bis hin „unbedingt kaufen“.

Dabei ist Wasserstoff in der Industrie schon lange im Einsatz. Neben dem „profanen“ Einsatz von Wasserstoff um Stickstoffdünger zu gewinnen, synthetische Kraftstoffe zu erzeugen oder Erdöl in Raffinerien zu cracken, wird z.B. seit den 60er Jahren Wasserstoff als Treibstoff in der Raumfahrt verwendet, die ohne ihn gar nicht möglich wäre. Daraus abgeleitet wird Wasserstoff als mögliche Energiequelle für die Luftfahrt, für die Automobilbranche, für Kraftwerke, für Heizzwecke und vieles mehr untersucht und z.T. auch schon genutzt.

Wasserstoff soll einerseits überall da zum Einsatz kommen, wo Hochtemperaturprozesse bisher nur über den Einsatz kohlenstoffhaltiger Energieträger wie Erdgas, Erdöl oder Kohle technologisch umsetzbar sind, wobei enorme Mengen an CO2 freigesetzt werden. So wird zum Beispiel davon ausgegangen, dass bei der Stahlherstellung durch Wasserstoffeinsatz 95% der CO2-Emmission gegenüber konventionellen Methoden vermieden werden kann.

Andererseits gilt Wasserstoff als potenter Energiespeicher für den Antrieb von Fahrzeugen aller Art, da er relativ gut speicherbar und transportierbar ist. Auf dem Feld der Verkehrstechnik ist Wasserstoff direkter Konkurrent von gespeicherter Elektroenergie und es gibt regelrechte „Glaubenskriege“, ob die Mobilität der Zukunft eher durch Wasserstoffantriebe oder Akkumulatoren und Elektromotoren garantiert werden kann.

Was spricht grundsätzlich für oder gegen die Nutzung von Wasserstoff als Energiequelle? Dagegen: Wasserstoff ist ein explosives Gas und es gibt keine natürlichen Wasserstoffvorkommen. Wasserstoff muss in Verfahren mit hohem Energiebedarf produziert werden. Wenn das nicht „just in time“ und am gewünschten Verbrauchsort erfolgt, muss er transportiert und gelagert werden. Dafür: Wasserstoff lässt sich nahezu rückstandsfrei verbrennen. Oder er kann durch elektrochemische Verfahren am Ort des Verbrauchs ohne Rückstände in Strom umgewandelt werden.

Allerdings spielt das jeweilige Wasserstoff-Herstellungsverfahren und davon gibt es eine ganze Reihe, eine entscheidende Rolle, um die Sinnhaftigkeit des Wasserstoffeinsatzes bewerten zu können. Grundsätzlich gilt: Nur der „grüne“ Wasserstoff ist der „gute“ Wasserstoff. Wenn von „grünem Wasserstoff“ gesprochen wird, versinnbildlicht das eigentlich nur, dass dieser Wasserstoff CO2-frei i.d.R. durch den Einsatz erneuerbarer Energien gewonnen wurde – im besten Fall ansonsten ungenutzter Energie z.B. aus der Stromerzeugung durch Wind- oder Sonnenkraft. Durch Elektrolyse wird dabei Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Das Ganze ist aufwändig und kostenintensiv. Neuere Verfahren, die allerdings noch in der Erprobung sind, setzen deshalb aus Kosten- und Effizienzgründen z.B. auf die Vergärung von Biomasse und die Gewinnung von Wasserstoff aus Grünalgen. Diesen Technologien werden enorme Entwicklungspotenziale zugesprochen.

Mit der nationalen Wasserstoffstrategie, einem 300 Millionen Euro schweren Förderprogramm, will die Bundesregierung diesen Prozess unterstützen. Ihr geht es um folgende Zielstellungen: Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen. Der flexible Energieträger ist unverzichtbar für die Energiewende und eröffnet uns neue Märkte. Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie machen wir Deutschland zu einem globalen Vorreiter. Auch die Staatengemeinschaft der EU widmet sich aktuell diesen Problemen und hat unter der Überschrift „Wasserstoff – Schlüssel für mehr Klimaschutz in Europa“ vor dem Hintergrund der Klimaziele der EU eine Diskussion eröffnet.

Eines der zentralen Probleme der Wasserstoffwirtschaft ist der relativ geringe Wirkungsgrad der Herstellung von grünem Wasserstoff aus Strom. Solange Strom knapp ist und Erzeugung und Verbrauch synchron erfolgen, besitzt sein direkter Transport klare Vorteile gegenüber dem Umweg über Wasserstoff. Das ändert sich allerdings gerade mit großer Geschwindigkeit, weil die regenerierbaren Energiequellen wie Sonne und Wind nicht immer dann anfallen, wenn sie gebraucht werden. Die Speicherung von überflüssigem Strom war bisher eine Aufgabe von Pumpspeicherkraftwerken, die zunehmend durch Akkumulatoren ergänzt werden. Diese sind aber teuer und weisen ebenfalls Verluste auf. An dieser Stelle spielt die Wasserstofftechnologie ihre Stärken aus. Strom kann unmittelbar am Ort der Entstehung z.B. in Offshore-Windparks in Wasserstoff umgewandelt werden, welcher dann mit Rohrleitungen zu den Abnehmern transportiert wird. Da der Transport von reinem Wasserstoff in Rohrleitungen technisch hohe Anforderungen stellt, wird gegenwärtig als Alternative eine Umwandlung des Wasserstoffs plus Kohlendioxid in Methan erprobt, welches dann für normale Erdgasleitungen und Erdgasspeicher geeignet ist. (Power to Gas).

Ob man dann den Wasserstoff selbst als Energiequelle nutzt und verbrennt, aus Wasserstoff in Brennstoffzellen Strom erzeugt, oder ihn als Methan verbrennt, ist abhängig vom Nutzungszweck sowie den zu erreichenden Wirkungsgraden. Wie unterschiedlich das auch von der Wirtschaft betrachtet wird, ist daran zu erkennen, dass beispielsweise VW keine Zukunft für PKW mit Wasserstoffantrieb sieht, BMW aber an diesem Thema forscht und bereits Versuchsmodelle existieren.

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