Stefan Koslowski

D

    ass der Fotograf Christian Schneegaß den Weg
    nach Berlin gefunden hat, hat er einer Frau
    zu verdanken. Vor fast zehn Jahren war er mit

einer Kanadierin verabredet, und dass er sie an diesem Sommerabend nicht für sich allein hatte, sondern mit mehreren tausend Zuschauern teilen musste, störte ihn wenig. Das Konzert der weltberühmten Jazzsängerin und Pianistin Diana Krall war wundervoll und ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben – und Christian Schneegaß ist seitdem in Berlin geblieben. Dass er bleiben würde, war ihm schon klar, als er aus dem Zug stieg. Die Vibrations der Metropole hatten ihn sofort gepackt, und so fiel es ihm nicht schwer, einen großen Teil seines westdeutschen Lebens hinter sich zu lassen, denn mit Mitte 40 war es für ihn sowieso Zeit für eine Veränderung, wie er rückblickend zufrieden feststellt. 

Eine alte Passion trieb Christian Schneegaß auf seinem neuen Weg immer wieder an: die Fotografie. Schon in frühen Schultagen fotografierte er die Mädchen in der Grundschule, wenn er sie attraktiv fand. Es fing damit an, dass er früher Menschen und Dinge, die ihm besonders gefielen, als Standbild gesehen und wollte diesen Moment mit seiner Kamera festhalten.

So ist er überhaupt zur Fotografie gekommen. Trotz dieser im Wortsinn visionären Fähigkeit war nach der Schulzeit das Selbstbewusstsein allerdings noch nicht so ausgeprägt, dass sich der junge Fotograf zutraute, aus seiner Passion einen Beruf zu machen. Wer sollte sich schon für seine Sicht der Dinge interessieren? Zunächst wollte er Koch werden, aber dafür hätte er seine Heimat Duisburg verlassen müssen, und dazu war er noch nicht bereit. So fiel die Wahl auf eine Metzgerlehre, einen Beruf, den er immerhin 20 Jahre lang ausübte. Die Fotografie war in diesem harten Job nicht nur sein steter Begleiter, sondern auch ein ganz wichtiger Ausgleich. Eine seiner Fotoausstellungen fand sogar „top secret“ in einer Schlachthalle statt. Sie dauerte nur zwei Tage, der Chef durfte nichts davon wissen, und nur die engsten Freunde waren eingeweiht.

Danach führte ihn sein Weg nach Bielefeld, wo er in einem Top-Restaurant die gastronomische Leitung übernahm, bis er nach Berlin kam. Hier angekommen, träumte er davon, eine klassische Jazz-Bar zu eröffnen, mit kleinen runden Tischen und alten Stühlen. Doch die Enttäuschung war groß, denn in Berlin gab es ja schon an jeder Ecke etwas, Bars und Restaurants jeglicher Art waren bereits vorhanden. Da Christian Schneegaß nicht nur Fotograf und Gastronom ist, sondern auch Lebenskünstler, verfeierte er sein Erspartes und arbeitete die ersten drei Jahre als Ober im Wiener Beisl in der Kantstraße, gleich neben der legendären Paris Bar in Charlottenburg. Da ihm die Rolle des Gastgebers perfekt liegt, übernahm er auch hier die Leitung, allerdings unter einer Bedingung: dass er dort seine Fotos ausstellen darf. Hier vereinte sich nun das Beste aus zwei Welten, gehobene Gastronomie und Kultur; Christian Schneegaß organisierte im Monatswechsel seine eigenen Fotoausstellungen. Doch, so erkannte er schnell, wird man als Künstler nicht ernst genommen, wenn man mit einer Kellner-Schürze umherläuft. Die Gäste waren von seinen Fotos an den Wänden zwar immer begeistert, kauften aber nichts. Und für den Wirt war es eine schöne und kostenlose Deko, die sich für ihn selbst nicht rentierte.

So reifte in ihm der Entschluss, sich ausschließlich der Fotografie zu widmen, und mittlerweile ist Christian Schneegaß vom bürgerlichen Charlottenburg nach Kreuzberg gezogen, das für Künstler doch freier und inspirierender ist, wie er findet. Mit Beginn seiner Selbständigkeit wollte er zudem etwas Radikales machen und sich so verändern, dass ihn bloß nie wieder ein Chef einstellen wird. Und so fing er an, sich Tattoos im Gesicht stechen zu lassen, jedes Symbol visualisiert einen Teil seiner Lebensgeschichte: Ein Schiffssteuerrad steht dafür, dass er sein Leben selbst in die Hand nimmt, der Blitz für viele tolle Ideen, ein Anker dafür, dass er in Berlin (und im Leben) angekommen ist, und das Unendlich-Zeichen, das sich auf jedem Kameraobjektiv findet, steht dafür, dass er jetzt offiziell unsterblich ist, ergänzt er mit einem Augenzwinkern. Man merkt sofort, dieser Mann ist ein großer Freigeist.

Dazu passt auch, dass Christian Schneegaß` Artwork „pur“ ist, retuschiert wird hier nicht, er schaut nur, welches Foto besser in Schwarz-Weiß oder Farbe wirkt und hebt eventuell noch ein paar Kontraste hervor. Seine Models spricht er auch schon mal auf der Straße an, wenn er auf Motivsuche ist. Eine ganz besondere Location war für ihn immer das legendäre Bogota Hotel in Charlottenburg, in dem Künstler aus aller Welt ein- und ausgingen. Hier herrschte eine einzigartige Affäre mit besonderem Charme. Das Hotel wurde leider vor einigen Jahren geschlossen, aber Christian Schneegaß durfte immerhin ein letztes Shooting an diesem ungewöhnlichen Ort machen, und so bleibt die Vergangenheit durch die Fotos auch immer ein Stück Gegenwart. Weitere besondere Erlebnisse seiner Karriere waren für ihn Shootings mit Claudia Schiffer und dem Schauspieler Franco Nero, aber das erwähnt er fast bescheiden in einem Nebensatz, name-dropping ist nicht so seins.

Christian Schneegaß ist aber nicht nur Kreativer, sondern auch Marketing-Experte in eigener Sache. Schnell erkannte er, dass Ausstellungen immer kostspielig sind. Bis alles so aussieht, wie es sein soll, muss viel Geld investiert werden, teures Fotopapier und teure Rahmen müssen gekauft werden, die Location kostet Geld, und Galeristen wollen ihren nicht unerheblichen Anteil an Provision haben. Und so kam ihm die Idee zu einem eigenen Foto-Magazin über Berlin, Menschen, Mode und Fotografie – das ist jetzt seine Ausstellung, denn hier findet sich sein Werk wieder. Einen Titel zeigte den berühmten Berliner Fotograf Helmut Newton, der weltweit, vor allem in Europa und den USA sehr erfolgreich war. Ihn fand Christian Schneegaß schon immer inspirierend, auch seine Schwarz-Weiß-Motive, die nicht nur Models und Mode zeigen, sondern auch nackte Haut. Überhaupt wäre es ein Traum, eines Tages im Museum der Fotografie in der Helmut Newton Stiftung auszustellen. Dort hatte er bereits die Ehre, 10 Motive im Postkartenformat in der dortigen Buchhandlung verkaufen zu können, bis Besucher nachfragten, wo denn diese Fotos im in der Newton-Ausstellung zu finden seien, dort hätte man sie nicht gesehen. Dadurch gab es leider Differenzen mit Newton-Familie, die ihm unterstellten, zu plagiieren und die Marke kaputtzumachen. Er versteht das nicht, denn er hat seinen ganz eigenen Stil und kopiert nie etwas. Aber dass seine Motive mit denen des berühmten Fotografen verglichen werden, ehrt ihn durchaus. Und daran, dass Christian Schneegaß seinen eigenen Weg beharrlich und erfolgreich fortsetzten wird, zweifelt keiner, der ihn kennt, denn dieser Mann hat für alle(s) den richtigen Blick.

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